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SES

Ein kleiner Kampf der Kulturen, noch mehr Bürokratie und Persönliches

Ein kleiner Kulturkampf

Am 25.09. soll nun die Großveranstaltung mit inzwischen 100 Personen in einem Hotel stattfinden. Wer den Blog aufmerksam gelesen hat, kann feststellen, dass sich das Datum und die mögliche Anzahl an Personen geändert haben. Das ist durchaus üblich, dass sich Pläne von einem auf den anderen Tag ändern. Durch hartnäckiges Fragen habe ich herausgefunden, dass das Level meines Vortrages sich an dem Niveau der anwesenden Laien orientieren kann.  Es werden meist Eltern, Großeltern und ,oh graus, Kinder dabei sein. Mein in Deutschland vorbereitetes Referat habe ich heute entsprechend angepasst. Da gleichzeitig das 10jährige Bestehen der Schule gefeiert wird, stelle ich einen Programmpunkt dar. Gestern tauchte die dringende Bitte auf, meiner Powerpoint doch Bilder hinzuzufügen. Ihr glaubt gar nicht, welche Diskussion hier entstand! Mir wurden mehrere Argumente vorgetragen:

  • Bilder gehören zur chinesischen Kultur
  • Eltern erwarten diese
  • manche Eltern würden gar einschlafen, wenn kein Bildchen auftaucht und das abenteuerlichste Argument:
  • Ich könne damit Zeit für meinen Vortrag gewinnen.

Hier mussten mal die Gastgeber auf Granit beißen. Ich bin stur geblieben und habe darauf bestanden, keine Ablenkung einzubauen. Wenn schon ein Alien aus Germanien einen Vortrag hält, darf es auch eine Alienpräsentation sein. Na, letztlich habe ich diesen Kulturkampf für mich entschieden. Mein Hinweis, dass sie die schon in Deutschland vom SES übersetzte chinesische Präsentation von mir bekommen und nach dem Vortrag damit machen dürfen, was sie wollen (von mir aus Micky Maus oder Donald Trump einbauen), hat sie etwas besänftigt. Ich denke, auch das gehört zu meiner Rolle: wenn schon Experte, dann auch offensichtlich einer mit Positionen.

Noch mehr Bürokratie

Meine Fragen nach den technischen Gegebenheiten konnten nicht beantwortet werden. Weder war bekannt, ob Ton, Bluetooth, VGA, HDMI und dergleichen vorhanden sind noch ob ein weites Mikro für den Dolmetscher zur Verfügung steht. Das könnten wir erst am 25. in Erfahrung bringen. Mein Nachhaken, dass es doch sicher möglich sei, die Fragen durch einen Anruf zu klären, wurde negativ beschieden. Man würde im Hotel nur die Rzeption erreichen. Die würde die Frage an den Leiter schicken, der wiederum würde den Manager für Großveranstaltung befragen. Dieser müsste dann Abteilungsleiter und die die technische Mannschaft interviewen. Die Antwort wäre auch nur auf diesem Weg zurück zu erhalten.

Es war wiedereinmal Bruce, der mich aufklärte. Einfachere Hotels sind staatliche Betriebe, die das Erbe der Planwirtschaft und Bürokratie mit ihrer Hirarchie noch sehr pflegen. Mich erinnerte das an einen Roman über Stalins Zeiten, wo nur ausgebildetes Personal einen Personenaufzug bedienen durften (spannendes Buch über die Zeit und das Leben von Schostakowitsch - Titel gibt es auf Anfrage!).

In diesem Zusammenhang berichtete Bruce, dass für alles ein Zertifikat vorgelegt werden muss. Es genügt nicht, eine Geburtsurkunde vorzulegen. Man muss bestätigen lassen, dass die dort eingetragene Mutter tatsächlich die Mutter ist. Selbst von sichtbar behinderten Menschen muss ein Zertifikat vorgelegt werden, das belegt, dass sie behindert sind. Laut Bruce genügt es nicht, in Behörden mit fehlenden Gliedmaßen zu erscheinen. Nein, ohne Zertifikat keine Anerkennung irgendwelcher Leistungen. Kafkaesk, kann ich da nur sagen!

Persönliches

Nach der Schule lud mich Nina zur chinesischen medizinischen Behandlung ein. Moxibustion nennt sich die Behandlung. Dabei werden Kräuter in Hautnähe glimmend verbrannt. Und das soll die Gesundheit strärken. So sieht das aus:

 

Eine halbe Stunde auf dem Meridian räuchern und entspannen. Ich habe immer noch den Geruch in der Nase. Ob es geholfen hat? Geschadet hat die Behandlung jedenfalls nicht und ich bin dankbar für diese neue Erfahrung!

Ich entdecke hin und wieder Anpassungsleistungen meinerseits, die ich in zurück in Deutschland wieder ablegen werde. Dazu gehören:

  • das Schmatzen und Schlürfen. Gerne würde ich eine Tonaufnahme fertigen und hier einstellen. Die Lautstärke ist für unsere Ohren erschreckend. Ich ertappe mich dabei, in diese Gewohnheit einzufallen und das Schmatz- und Schlürforchester mit meinen Lauten zu bereichern.
  • das Nutzen des Handys. Egal wo man geht und steht, ob im Auto oder auf dem Motorroller: Das Handy ist gezückt. Sowohl Nina als auch Bruce benutzen dies während der Unterrichtsbeobachtungen meinerseits. Eltern sitzen im Eingangsbereich und beschäftigen sich mit ihrem Gerät. Ich habe inzwischen keine Hemmungen mehr, mein Handy zu zücken und Nachrichten zu lesen, wenn sich Bruce und Nina unterhalten. Ab und an nutze ich dies im Gespräch mit den Eltern, wenn ich einen Begriff übersetzen möchte. Da erweist sich das Gerät als wahre Hilfe.

Die chinesische Küche erlaubt mir, mein Gewicht zu reduzieren (das war dringend nötig!). Ich verzichte auf Reis und ernähre mich ausschließlich von Fleisch und Gemüse. Aus Perspektive der chinesischen Freunde widerspricht mein Bestreben ihrer Intention. Familie und SES sollen schließlich möglichst an gesteigertem Gewicht erkennen, dass ich ausreichend versorgt wurde. Da ich aber auch hier stur bleibe, gibt es eine einfache Lösung: Wenn ich esse, werde ich fotografiert. Damit ist der Beweis vorzüglicher Gastfreundschaft gesichert.

Zum Schluss noch etwas Skurriles:

Bruce wollte mit mir ein Selfie machen. Herausgekommen ist dabei folgendes Bild, das mich um viele Jahre jünger machte (kaum Falten zu sehen) und uns beiden einen helleren Hautton verpasste. Selbst die Pickel von Bruce waren plötzlich weg!!! Ein Wunder!!!! Wie kann das passieren?

Schuld ist schlicht die Kamerasoftware! Sie verschönert automatisch Gesichter nach asiatischem Vorbild. Dazu gehören unbedingt eine hellere Haut, keine Pickel und weniger Falten! Wozu das Ganze? Nun, damit kann man doch potenzielle Bräute für sich gewinnen!! Frauen nutzen diesee Funktion für ihre Selbstdarstellung und für Partnersuche natürlich ebenso! Diese Software ist sehr weit verbreitet!

Nun mal ehrlich: sehe ich da nicht umwerfend gespensterhaft und gruselig aus?  

Sehen mich die Kinder, sprechen sie mich allerdings mit „Jeje“ an, das heißt schlicht „Großvater“. Offensichtlich verfügen die kleinen Bälger über keinerlei Filter in ihrer Wahrnehmung! Tztz!

 

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