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SES

Situation Behinderter, öffentliche Verwaltung und Korruption

Situation Behinderter

Behinderte Menschen sind im Straßenbild eine Seltenheit. Ich habe bislang nur einen einarmigen Mann gesehen. Die Gehwege sind zum Teil abenteuerlich z.B. mit gebrochenen Fliesen gepflastert und immer wieder mit Stufen versehen, wenn Höhe ausgeglichen wird. Die Bordsteine sind nicht abgesenkt. Wenn überhaupt gehbehinderte Menschen zu sehen sein könnten, dann auf der Straße am Rand gehend (wo übrigens viele Fußgänger auch gehen). Bis heute, 16.09., habe ich nur einen gehbehinderten alten Mann gesehen und einen Elektrorollstuhl. Das war mir jeweils ein diskretes Foto wert.

Heute, 17.09, habe ich einen weiteren behinderten Menschen gesehen. Im öffentlichen Bild die totale Ausnahme! 

In Leiyang gibt es eine staatliche Schule für Behinderte (zu der man in der Aikang-Schule keinen Kontakt hat). Der Grund: sie stellt eine Konkurrenz dar. Der Leiter des regionalen Behindertenverbandes leitet diese und Eltern vertrauen ihm, der Behörde (Status!), mehr als einer privaten Einrichtung.

Von (wie immer) wenigen Subventionen ist die Aikang-Schule auf die zahlenden Eltern angewiesen. Eine Einzelförderung kostet umgerechnet 6 €. Verbleibt das Kind einen halben Tag, sind 200 € im Monat fällig. Bei einem Durchschnittsverdienst von 250 € . . . Diese Auflistung verdeutlich das Dilemma, in dem sich viele Familien hier befinden.

Diverse Elterngespräche erwiesen sich oft als Großelterngespräche. Viele Eltern arbeiten in anderen Städten, um über die Runden zu kommen. Die Erziehung liegt oft in den Händen von Großeltern.

Dass Behinderung ein Makel ist, hatte ich ja geschrieben. Ebenso gibt es wenig Wissen über Behinderungen. Eltern erwarten Heilung und fragen, ob Trisomie 21 heilbar sei.

Seit 2011 gibt es in einigen Provinzen Babyklappen. Hier heißen sie „Sicherheitsinseln“. Chinas „Babyklappen“ sind kleine betretbare Häuschen, in denen es eine klimatisierte und mit Sauerstoff versorgte Kiste gibt, in die man das Neugeborene legen kann. Auffällig ist, dass viele Babys mit unterschiedlichen, teils schweren Erkrankungen abgegeben werden.  Das liegt vor allem an der teuren medizinischen Versorgung und den mangelnden finanziellen Mitteln der Eltern dafür aufzukommen. Dies wird durch die Haushaltsregistrierung verschärft.

Als die Babyklappen in Guangzhou eröffenet wurden, sollen in den ersten beiden Monaten am Tag bis zu 5 Babies dort abgeliefert worden sein. 

 Öffentliche Verwaltung und Korruption

Chinesen unterliegen de Registrierungspflicht für ihre Region, in der sie geboren wurden. Der Staat versucht so, die Bevölkerung an Regionen zu binden, um Massenbewegungen zum Beispiel vom Land in die Stadt zu erschweren. Zwar kann man in anderen Regionen arbeiten, jedoch zahlt man als nicht registrierter Bürger z. B. mehr für die medizinische Versorgung. In anderen Regionen geborene Kinder müssen nach der Grundschule die Schulen ihrer Heimatregion besuchen. Weitere Einschränkungen konnte ich nicht erfragen. Vielleicht scheut man die Antwort. Ich werde zu Hause recherchieren.

Sicher ist bei uns bekannt, dass in China ein überwachungsbasiertes Sozialpunktesystem nach und nach eingeführt wird. Dazu wurden und werden im öffentlichen Raum Kameras installiert, wo mit Gesichtserkennung Fehlverhalten von Bürgern registriert wird. Nicht bezahlte Rechnungen und Verbrechen führen zu einem Punkteabzug. Das Sozialpunktesystem kann nur funktionieren, wenn Konsequenzen entstehen. Beim Kauf von Zugfahrkarten ist die ID-Karte vorzulegen, die einem Lesegerät eingegeben wird. Schon kann am Schalter festgestellt werden, ob die Person überhaupt mit dem Zug reisen kann. Natürlich gilt dies für Flugreisen ebenso. Ob es weitere Sanktionen gibt, werde ich auch recherchieren. Jedenfalls ist Orwell hier längst eine für uns erschreckende Realität geworden. Chinesen äußern sich dazu nicht negativ. Im Gegenteil: hier wird für Sicherheit gesorgt!!!

In Bruce, meinem Dolmetscher, habe ich einen offenen Gesprächspartner, der von sich aus über die Probleme des Landes berichtet. So zum Beispiel über die Korruption:

Wer im öffentlichen Dienst arbeitet, ist privilegiert, da er höchsten Status, bevorzugte Behandlung und bessere Lebensbedingungen vorweisen kann. Bürger sind gegenüber Beamten reine Bittsteller. Geld, das von Peking für die Provinzen zur Verfügung gestellt wird, kommt erheblich reduziert bei den Bürgern an. Laut Bruce sind die Ortsvorsteher in den Gemeinden die reichsten Leute, sie zweigen Geld von der Regierung ab und erhalten Schmiergeld von den Bürgern.

Ein für mich beeindruckendes Beispiel: Bei der Diskussion um Sponsoren regte ich unter anderem an, eine Kultur des Dankes einzuführen. Kinder sollten einmal im Jahr einen Dankesbrief an alle Personen schicken, die irgendetwas für die Schule getan haben, also auch an die Verwaltung. Die Idee fand großen Zuspruch. Mir wurde aber deutlich gesagt, dass man aber kleines Geld für die Leute benötige, um überhaupt größeres Geld für die Schule zu bekommen. So wie ich das Ergebnis nun einschätze, wird es Gesten der Dankbarkeit und Bestechung geben (womöglich günstigerer Tarif). Laut Bruce nun der chinesische Weg der Kultur der Dankbarkeit.

 

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